The Day After Tomorrow – Fact Fiction?

Liebhaber von Katastrophenfilmen legen schon mal einen Stapel Bücher zum Kamin. Eine Modellberechnung kommt zu dem Ergebnis, dass die Nordatlantische Umwälzströmung nicht erst kollabieren kann, wenn ein bestimmter Schwellenwert an einströmendem Schmelzwasser erreicht wird, sondern schon vorher kann „rateninduziertes Kippen“ erfolgen, wenn dieser Schmelzwasser-Einstrom zu schnell erfolgt.

Völlig übertrieben?

Im Film „The Day After Tomorrow“, den Roland Emmerich 2004 in die Kinos brachte, hatte dieses Ereignis auch den Kollaps des Golfstroms zur Folge. Daraufhin vereisten Nordamerika und Europa. Ein plötzlicher Kälteeinbruch in New York führte dazu, dass halbgebildete US-Bürger in der Kongressbibliothek beinahe eine Gutenbergbibel verheizt hätten, nur, um nicht zur Eissäule zu erstarren. Ein nerdiger Bibliothekar rettete den verkannten Kulturschatz.

Wissenschaftler beschwichtigten damals, und meinten, dass der Zusammenbruch des Golfstroms ein völlig unrealistisches Hollywood-Extremszenario sei.

Wenn es kippt, dann richtig

Wissenschaftler in Kopenhagen sehen das nun anders: Die Nordatlantische Umwälzströmung kann kollabieren, wenn zu viel grönländisches Eisschmelzwasser in den Nordatlantik einströmt. Das wird früher oder später durch die Klimaerwärmung stattfinden. Nun sieht es so aus, als ob das eher früher sein könnte. Denn wenn das Schmelzen und Einfließen zu schnell erfolgt, kippt das System schon vorher um.

Bereits 2018 hatten schwedische Wissenschaftler darauf hingewiesen, dass der Zusammenbruch von Kippelementen im Erdklimasystem – das sind z.B. Grönlandeis, Jetstreams, Permafrostboden, Amazonas-Regenwald oder die Nordatlantische Umwälzströmung – zu einer „fatalen Kaskade“ führen könne. Benachbarte Kippelemente würden ebenfalls in andere Zustände wechseln, um insgesamt wieder ein Gleichgewicht auf einem neuen Niveau zu erreichen.

Globale Kettenreaktion

Dieser Niveauwechsel hätte eine Kette von globalen Katastrophen zur Folge. Das können Dürren, Überschwemmungen, Hitze, Kälte oder Stürme sein, die wiederum zu zahlreichen Opfern, Ernteausfällen und Infrastrukturzerstörungen führen.

Daraus entstehen Klimaflucht, Krisen und Kriege, sowie ein Erstarken faschistischer Strömungen im globalen Norden angesichts des klimabedingten Migrationsdrucks auf die Grenzen der reichen Nationen.

Klimapolitik: Sechs, setzen!

Selbst wenn die Klimaziele von Paris fristgerecht eingehalten werden, ist nicht auszuschließen, dass das eine oder andere Kippelement einen solchen Kipp-Punkt erreicht und kollabiert. Mit einer Kaskade als Folge. Das kann bereits dann geschehen, wenn der regionale oder globale Temperaturanstieg – und damit verbundene Folgen wie Eisschmelze – zu schnell vonstatten gehen.

Die 1,5° oder 2° C globaler Temperaturanstieg müssen nicht erst erreicht sein. Es genügt schon, wenn wir zu schnell auf sie zugehen. Dann treten katastrophale Klimaereignisse bereits früher ein.

Bisher sind wir bei etwa 1,1° C globalem Temperaturanstieg, und die Verlaufskurven vieler Klimaparameter folgen dem Worst-Case-Szenario. In hundert Jahren werden wir bei 3,3° bis 5,4° C Klimaerwärmung ankommen, wenn sich nichts ändert. Was sich bisher ändert, ist viel zu wenig, und viel zu langsam. Wir geben also Vollgas auf die Klima-Kipp-Punkte 1,5° und 2° C!

War „The Day After Tomorrow“ wirklich nur ein unrealistischer Katastrophenfilm, oder wird sich einmal herausstellen, dass er „Fact Fiction“ war? Hoffentlich nicht. Aber diese Hoffnung steht ohne wissenschaftliche Grundlage da.